Die Diagnosefalle: von kategorialen zu dimensionalen Modellen: Seit den frühen Beschreibungen durch Kanner und Asperger hat sich die Diagnostik von Autismus von einer eng umrissenen Störung zu einem breiten Spektrum entwickelt. Die Überarbeitung der diagnostischen Kriterien für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) im DSM-5 hat weitreichende Auswirkungen auf Diagnostik, Förderung und gesellschaftliche Wahrnehmung neurodiverser Menschen.

Was ursprünglich als Versuch begann, diagnostische Kategorien zu vereinheitlichen und Betroffenen den Zugang zu Unterstützung zu erleichtern, hat sich für viele zu einer Diagnosefalle entwickelt: ein System, das zu großer Verwirrung führt, Grenzen verwischt, Identitäten formt und häufige Fehlzuordnungen begünstigt. Der Wandel des Autismusbegriffs und die kulturelle Aufwertung psychischer Diagnosen insgesamt haben eine Situation geschaffen, in der Diagnosen zugleich begehrt, politisiert, instabil und widersprüchlich geworden sind (Bogdashina 2010, 2016). Neurodiversitätssensible Forscher (Walker, 2021; Kapp, 2020) kritisieren ausserdem, dass die Reform sowohl zu einer Vernachlässigung individueller Wahrnehmungsprofile als auch zu diagnostischen Verschiebungen geführt hat.

1. Betonung des Defizitmodells: Im DSM-5 stehen Defizite in sozialer Kommunikation und repetitiven Verhaltensmustern im Zentrum. Dies wird von einigen Fachautor:innen als zu einseitig beschrieben, da neurodiverse Wahrnehmungsstile und Stärken kaum berücksichtigt werden.

2. Von klaren Kategorien zur unscharfen „Spektrum“-Diagnose: Mit dem DSM-5 (2013) wurde das vorherige System der „Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ (u. a. Autistische Störung, Asperger-Syndrom, atypischer Autismus, PDD-NOS) zugunsten einer einzigen Kategorie, der Autism Spectrum Disorder (ASD), aufgegeben. Ziel war es, diagnostische Klarheit und Konsistenz zu schaffen: ein Spektrum sollte Abstufungen ermöglichen und die künstliche Trennung von „hoch-“ und „niedrigfunktional“ vermeiden. Die Umstellung auf ein dimensionales Modell sollte Schweregrade und Unterstützungsbedarfe transparenter abbilden (Lord et al., 2020).

3. Reduktion diagnostischer Differenzierung: In der Praxis entstand jedoch das Gegenteil: eine konzeptuelle Nivellierung, die wesentliche Unterschiede einebnete und diagnostische Kriterien einführte, die so unscharf sind, dass sie kaum noch trennscharf angewendet werden können.

Besonders problematisch ist die Einführung der Social (Pragmatic) Communication Disorder (SPCD). Diese Diagnose sollte Kinder auffangen, die soziale Kommunikationsprobleme haben, aber nicht das Muster „eingeschränkter und repetitiver Verhaltensweisen“ des Autismus zeigen. In der Realität ist die Grenze zwischen SPCD und ASD äußerst instabil: Kleinste Unterschiede in der subjektiven Interpretation durch den Diagnostiker, etwa ob ein repetitives Verhalten „ausreichend ausgeprägt“ sei, können darüber entscheiden, ob jemand als „autistisch“ gilt oder nicht. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Leistungen, Förderung und Selbstverständnis.

    Diagnostisches Vakuum innerhalb des autistischen Spektrums

    Statt Klarheit entstand eine Grauzone, die Fehlzuordnungen begünstigt und eine wachsende Zahl von Erwachsenen in eine Diagnose treibt, die für viele eher Auffangbecken als präzise Beschreibung ist. Als Konsequenz der Zusammenlegung erfüllen manche Personen die neuen Kriterien nicht mehr, obwohl ihr Unterstützungsbedarf gleich geblieben ist (Gibbs et al., 2012; McPartland et al., 2012). Gleichzeitig steigen die Diagnoseraten an anderen Stellen weiter an (Hansen et al., 2015). Bogdashina (2016) beschreibt diese gleichzeitige Verengung und Aufweitung als „diagnostisches Vakuum“ innerhalb des Spektrums.

     

    Zentrale Kritikpunkte an der DSM-5-Logik/ DSM-5-Systematik 

    1. Die Reduktion auf Verhaltenssymptome: Während das DSM-5 sensorische Besonderheiten erstmals explizit einbezieht, bleibt der Schwerpunkt auf beobachtbaren Verhaltenssymptomen bestehen. Viele Autor:innen betonen jedoch die zentrale Rolle sensorischer Verarbeitung für das Verständnis autistischer Lebenswelten (Bogdashina, 2010; Robertson & Simmons, 2015). Ein rein verhaltensorientiertes Modell greift daher zu kurz (Happé et al., 2020).
    1. Die Rolle subjektiver Interpretationen: Diagnosen hängen nicht nur von Merkmalen des Kindes, sondern auch von institutionellen Bedingungen, Versorgungsstrukturen und der Expertise der Fachpersonen ab (Lord et al., 2020).Die DSM-5-Kriterien bieten diagnostisch große Interpretationsspielräume (Smith et al., 2020), was zu
    • regional variierenden Diagnoseraten
    • subjektiv geprägten Einschätzungen und Entscheidungen
    • und vermehrtem Einsatz von Drittvariablen (z. B. Zugang zu Leistungen) führen.
    1. Diagnostische „Verengung“ und gleichzeitig „Aufweitung“: die diagnostischen Kriterien sind teils zu unspezifisch und teils zu restriktiv:
    • Manche Personen verlieren ihre frühere Diagnose (z. B. Asperger), obwohl ihr Unterstützungsbedarf bestehen bleibt.
    • Gleichzeitig steigt die Zahl an Diagnosen bei Personen mit weniger eindeutigen Symptomausprägungen. Diese paradoxe Situation trägt zur Wahrnehmung eines diagnostischen „Vakuums“ 
    1. Diagnostische Inflation und gesellschaftlicher Druck: Steigende Diagnoseraten werden in der öffentlichen Debatte häufig als „Epidemie“ beschrieben. Fachwissenschaftliche Analysen zeigen jedoch, dass diese Zunahme eher auf veränderte Kriterien, erhöhte Sensibilisierung und den Wunsch nach förderrechtlicher Orientierung zurückzuführen ist (Hansen et al., 2015; King & Bearman, 2009). Die erhöhte Sensibilisierung für Autismus, gesellschaftlicher Druck zur Erklärung von Entwicklungsunterschieden und die Forderung nach pädagogisch-therapeutischen Ressourcen verursachen eine diagnostische Inflation und bergen die Gefahr, die Wahrnehmung autistischer Menschen zu verzerren und stereotype Vorstellungen zu verstärken. Diagnosen dienen zunehmend dazu, Komplexität zu reduzieren oder Zugang zu Fördermaßnahmen zu sichern (Bogdashina (2016).
    1. Die „Grandfather Clause“: zwei Diagnosesysteme gleichzeitig: Ein besonders folgenreicher Schritt im DSM-5 war die sogenannte „Grandfather Clause“: Alle Personen, die vor 2013 eine Diagnose aus dem DSM-IV-Spektrum erhalten hatten (Autistische Störung, Asperger, Atypischer Autismus, PDD-NOS), wurden automatisch als ASD klassifiziert, unabhängig davon, ob sie die neuen Kriterien überhaupt erfüllten.

    Damit existieren de facto zwei parallele Diagnosesysteme:

    • Menschen mit alten Diagnosen behalten automatisch ihren Autismus-Status
    • Menschen, die nach 2013 untersucht werden, müssen die neuen, und teilweise deutlich engeren, Kriterien erfüllen

    Das führt zu auffälligen Ungerechtigkeiten: Zwei Personen mit fast identischen Verhaltensprofilen können unterschiedliche Diagnosen und damit unterschiedliche Unterstützungsansprüche haben, einzig abhängig vom Zeitpunkt ihrer Erstdiagnose. Besonders brisant ist dies für ehemalige PDD-NOS-Diagnosen, von denen viele nach heutigem Verständnis eher zu Social (Pragmatic) Communication Disorder (SPCD) passen würden.

    Erschwerend kommt hinzu, dass PDD-NOS jahrelang einen redaktionellen Fehler im DSM-IV enthielt – ein falsch gesetztes „oder“ statt „und“ –, wodurch Diagnosen vergeben werden konnten, ohne dass soziale Interaktionsprobleme nachgewiesen waren. Auch diese diagnostischen Fehler wurden durch die Grandfather Clause quasi dauerhaft in das DSM-5 überführt.

    So wird ein strukturelles Problem sichtbar: Das DSM kann Fehler nicht nur erzeugen, sondern durch seine Regeln und Fehler selbst bestätigen. 

    1. Der diagnostische Boom bei Erwachsenen: Trauma, Persönlichkeit und Checklisten: Die Veränderungen im DSM trafen auf eine Gesellschaft, die zunehmend diagnoselastig denkt. Dadurch entstand ein rapider Anstieg an Autismusdiagnosen bei Erwachsenen. Viele davon sind umstritten, weil sie häufig
    • ohne ausreichende Kindheitsanamnese
    • mit checklistenbasierter Diagnostik
    • und unter Vernachlässigung von Differentialdiagnosen erstellt wurden.

     

    Autismus: eine neuroentwicklungsbedingte Störung mit frühem Beginn

    Autismus ist jedoch per Definition eine neuroentwicklungsbedingte Störung mit frühem Beginn. Fehlen Entwicklungsberichte, schulische Unterlagen oder Zeugnisse früher Auffälligkeiten, steigt das Risiko dramatisch, dass Phänomene wie komplexe Traumafolgen, soziale Angst, Borderline- oder vermeidende Persönlichkeitsstörungen als Autismus missinterpretiert werden.

    Auch traumatische Erfahrungen, einschließlich Flucht- und Migrationserfahrungen, können zu Verhaltensweisen führen, die oberflächlich wie „Masking“ oder soziale Überforderung aussehen und Persönlichkeitsstörungen können stabile Muster erzeugen, die auf Checklisten leicht als „autistische Merkmale“ erscheinen (xxx van der Kolk). Diese Verwechslungen werden durch populäre Online-Tests und die starke mediale Sichtbarkeit von Autismus zusätzlich verstärkt.

    Das Ergebnis ist ein diagnostischer Kreislauf:
    Mehr Diagnosen → größere Identifikationsgruppen → mehr Sichtbarkeit → weitere Diagnosen.
    Dadurch wird Kritik kulturell und politisch immer schwieriger, da Diagnosen Identitäten und Ressourcen legitimieren.

      

    Die Frage der „klinischen Relevanz“ und der Konflikt mit der Neurodiversität

    Das DSM-5 verlangt den Nachweis eines „klinisch signifikanten Leidensdrucks oder Funktionsverlusts“. Theoretisch soll dies verhindern, dass bloße individuelle Unterschiede oder Wahrnehmungsbesonderheiten sofort als Störung gelten.

    Gleichzeitig widerspricht dies aber Teilen der Neurodiversitätsbewegung, die Autismus nicht als Defizit, sondern als Identität begreift. Hierdurch entsteht ein paradoxes Spannungsfeld:

    • Medizin: Diagnose nur bei Leiden/Impairment
    • Identitätspolitik: Anerkennung ohne Defizitbegriff

    Diese Spannung macht das Diagnosesystem instabil und führt zu Konflikten über Anerkennung, Selbstdefinition und die Grenzen des Autismusbegriffs.

    Überdiagnose und Diagnosekultur im größeren Kontext

    Autismus ist nicht die einzige Diagnose, die eine massive Ausweitung erlebt. Auch Diagnosen wie ADHD zeigen, wie definitorische Elastizität zu steigenden Prävalenzen führt. Wir leben zunehmend in einer „Age of Diagnosis“ (O’Sullivan) – einer Kultur, in der medizinische Begriffe soziale Deutungsmuster prägen und Alltagsprobleme schnell zu klinischen Entitäten werden.

    Diese Entwicklung hat zwei Seiten: Sie erlaubt Leidensdruck sichtbar zu machen – aber sie pathologisiert auch normale Unterschiede und belastet Gesundheitssysteme. In diesem Spannungsfeld entstehen Rufe nach „Dediagnosing“, also nach der bewussten Rücknahme von Diagnosen, die keinen Nutzen bringen oder mehr schaden als helfen.

     

    Folgen für Diagnostik, Förderung und Familien

    Die Diagnosefalle hat reale Konsequenzen für Betroffene, Fachkräfte und Versorgungssysteme. Die Unschärfe der Kriterien erschwert Eltern und Fachpersonen Orientierung:

    • Was bedeutet eine Diagnose heute noch?
    • Wie lassen sich Fördermaßnahmen bedarfsgerecht planen?
    • Welche individuellen Profile werden durch die DSM-5-Kriterien nicht ausreichend erfasst?
    1. Auswirkungen auf Eltern und pädagogische Fachkräfte: Eltern sind mit widersprüchlichen Botschaften konfrontiert: Diagnosen sind einerseits unschärfer geworden, andererseits gewinnen sie durch institutionelle Anforderungen an Bedeutung (Kapp, 2020). Die gestiegene gesellschaftliche Aufmerksamkeit führt häufig zu einem frühen Wunsch nach Diagnostik, was wiederum Unsicherheiten erzeugen kann, z. B. machen sich zunehmend Eltern schon vor der Geburt ihres Kindes Sorgen über eine etwaige Autismusdiagnose.
    1. Entstehende Versorgungslücken, Fehlversorgung und Ressourcenungleichheit: Durch die diagnostischen Verschiebungen entstehen sowohl Lücken als auch Überlastungen im Versorgungssystem.
    • Manche Personen fallen aus Förderprogrammen heraus, obwohl weiterhin Bedarf besteht.
    • Menschen, die keine autismusbezogene Unterstützung benötigen, erhalten sie trotzdem, während andere, die stark beeinträchtigt sind, zu wenig oder verspätete Hilfe bekommen.
    • Sensorische Verarbeitungsbesonderheiten und individuelle Wahrnehmungsstile kommen im DSM-5 nur am Rande vor, obwohl sie für die Alltagserfahrung vieler autistischer Menschen zentral sind (Bogdashina 2010 …xxx)
    • Ressourcen werden verwässert, Forschung wird erschwert, da Studien zunehmend heterogene, unklare Proben untersuchen.

    Viele zuvor klar zuordenbare Unterstützungsangebote sind heute schwieriger zu begründen, wenn Personen nicht mehr eindeutig in Kategorien passen (Bölte et al., 2019). Gleichzeitig führen steigende Nachfrage und Ressourcenknappheit zu längeren Wartezeiten und Überlastung diagnostischer Stellen.

    1. Belastung für die Identität: Für viele stellt die ASD-Diagnose nicht nur eine medizinische Kategorie dar, sondern einen zentralen Bestandteil ihres Selbstbildes. Das erschwert spätere Neubewertungen:
    • Eine Fehldiagnose zurückzunehmen kann als Identitätsverlust erlebt werden.
    • Zugleich kann eine Diagnose auch Menschen festlegen und Handlungsspielräume einengen.

    Das Zusammenspiel von Krankheit, Behinderung, individuellen Unterschieden und Identität macht Autismus zu einem hochpolitischen Feld, und Diagnosen zu mehr als nur klinischen Bewertungen.

    1. Professionelle Fehlanreize: Diagnostiker arbeiten in Systemen, die schnelle Entscheidungen belohnen und in denen die Revision von gegebenen Diagnosen nicht vorgesehen ist. Fehler werden selten anerkannt; Überdiagnosen können jahrelang fortbestehen, weil es kaum strukturierte Verfahren zur Neubewertung gibt.
    1. Unsicherheit im pädagogischen und therapeutischen Alltag: Fachkräfte erleben zunehmend Schwierigkeiten, aus einer breiter gefassten Spektrumskategorie konkrete Schlüsse für die Förderplanung abzuleiten (Lord & Bishop, 2015). Individuelle Profile werden leicht durch die verallgemeinernde Spektrumskategorie verdeckt, obwohl spezifische Wahrnehmungsstile und sensorische Aspekte entscheidend für die pädagogische und therapeutische Praxis sind (Robertson & Simmons, 2015; Bogdashina, 2010).

     

    Wege aus der Diagnosefalle: Was Reform bedeuten müsste

    Für einen sinnvollen Umgang mit Diagnose und Unterstützungsangeboten, bedarf es einer diagnostisch reflektierten Haltung der professionellen Fachkräfte in Bezug auf die Limitierungen diagnostischer Systeme (Walker, 2021).

    Das Spektrum als Vakuum, das Über- und Unterdiagnostik begünstigt

    Der Umbau der Diagnosestruktur im DSM-5 sollte Ordnung schaffen. Stattdessen hat er ein Vakuum geschaffen, in das unterschiedlichste Formen menschlicher Not und individueller Besonderheiten eingesogen werden, ohne dass das System angemessen zwischen ihnen unterscheiden oder Versorgung gerecht verteilen könnte. Während das Spektrumkonzept theoretisch eine größere Flexibilität verspricht, entsteht in der Praxis ein diagnostisches Vakuum, das sowohl Über- als auch Unterdiagnostik begünstigt.

    Autismus ist zu einem Begriff geworden, der gleichzeitig zu viel und zu wenig bedeutet: ein Sammelbecken für sehr unterschiedliche Phänomene, ein Anker für Identitäten, ein Zugangscode für Leistungen und Fördermaßnahmen, und ein Risikofaktor für Fehldiagnosen.

    Diese Diagnosefalle zu entschärfen erfordert mehr als technische Anpassungen. Es braucht eine Kultur, die Diagnosen als provisorische Werkzeuge, nicht als endgültige Wahrheiten begreift; eine Praxis, die Fehler korrigiert; und ein System, das Menschen nach tatsächlichem Bedarf unterstützt. Für die pädagogische und therapeutische Praxis bedeutet dies, diagnostische Kategorien kritisch, reflektiert und stets mit Blick auf individuelle Entwicklungswege zu nutzen. Erst dann kann Differenz wieder als Unterschied verstanden werden, und nicht automatisch als Störung.

     

    Interdisziplinäre Diagnostik, systemische Zusammenarbeit und Reflektionskompetenz

    Die Komplexität der Diagnostik macht multiprofessionelle Teams unverzichtbar (Bölte et al., 2019). Durch den Austausch zwischen Pädagogik, Therapie, Psychologie und Medizin können Diagnosen kontextualisiert und Förderentscheidungen systemisch abgestimmt werden, d.h. eine qualitativ hochwertige Diagnostik erfordert:

    • multiprofessionelle Zusammenarbeit
    • kultur- und kontextsensibles Vorgehen
    • sowie eine klare Trennung zwischen wissenschaftlicher Diagnostik und sozialpolitischen Förderlogiken

     

    Ressourcenorientierte Arbeit mit individuellen Profilen

    Während die derzeitigen streng defizitorientierten Modelle zu reduzierten Sichtweisen führen, sollte eine ressourcenorientierte Diagnostik sensorische Verarbeitung, Kommunikationsmuster und Stärkenprofile (Bogdashina, 2010; Kapp, 2020) sowie soziales Umfeld und historische Variablen (Epigenetik) berücksichtigen. Für die professionelle Praxis bedeutet dies, diagnostische Kategorien kritisch zu reflektieren und die Individualität jedes Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.

    Solche Profile ermöglichen eine passgenaue Förderplanung, die weniger an klinischen Kategorien und stärker an individuellen Bedürfnissen orientiert ist, d.h. in Bildungs- und Therapie­kontexten sollte der Fokus stärker auf:

    • Stärkenprofilen
    • individuellen Lernwegen
    • und neurodiversen Kompetenzen liegen.

     

    Diagnosen als provisorische Orientierungshilfen

    Diagnosen sollten als Ausgangspunkt, nicht als abschließende Beschreibung verstanden werden. Die neurodiversitäts-sensible Perspektive betont, dass diagnostische Kategorien soziale Konstruktionen sind, die nicht das gesamte Entwicklungspotenzial eines Kindes abbilden, sondern immer auch gesellschaftliche, fachliche und politische Dimensionen widerspiegeln.

    1. Entwicklungsgeschichte als Pflicht: für erwachsene ASD-Diagnosen muss die Kindheitsanamnese wieder zentral werden, – nicht optional.
    1. Strukturierte Reassessment-Verfahren: Menschen sollten Zugang zu niederschwelligen, transparenten Neubewertungen haben, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Leistungsentzug.
    1. Unterstützung nach Bedarf, nicht nach Label: Viele Probleme entstehen, weil Hilfen an Diagnosen gebunden sind. Ein funktionales System müsste Förderung an konkrete Beeinträchtigungen knüpfen, nicht an das Etikett „Autismus“.
    1. Institutionelle Verantwortung: Fehler – auch historische wie der PDD-NOS-Tippfehler – müssen offen aufgearbeitet werden. Das DSM ist kein neutrales Dokument, sondern ein politisches und wissenschaftliches Produkt.
    1. Bessere Forschung: Nötig sind Studien, die
      • Autismus von Trauma und Persönlichkeitsmustern differenzieren
      • Entwicklungsverläufe über die Lebensspanne verfolgen
      • diagnostische Instrumente kritisch evaluieren

     

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