Die Waldon-Methode ist ein pädagogischer Ansatz des englischen Neurologen Dr. Geoffrey Waldon, basierend auf direkten Beobachtungen der typischen menschlichen Entwicklung und der wesentlichen Mechanismen des Lernens in den ersten Monaten und Jahren. Während die Ideen universelle Gültigkeit haben und hilfreich sind, um zu verstehen, wie sich Spiel und Lernen bei kleinen Kindern entwickeln, ist der Waldon-Ansatz besonders bei Schwierigkeiten mit einem bestimmten Aspekt der Lernentwicklung einer Person hilfreich. Durch den Fokus auf die Neurophysiologie der menschlichen Entwicklung und des Lernens kann der Waldon-Ansatz Probleme auf der grundlegenden Ebene angehen, auf der sie entstehen.
In den letzten zwanzig Jahren haben eine Reihe von LernbegleiterInnen in Großbritannien, Slowenien, Frankreich und Deutschland den Waldon-Ansatz bei Kindern/ Jugendlichen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen und Lernschwierigkeiten angewendet.
Indem die Lernenden ihr allgemeines Verstehen stärken, d. h. ihre Fähigkeit, die Welt zu begreifen, zu verstehen und produktiv mit ihr umzugehen, werden sie in der Regel auch emotional robuster und effektiver beim Lernen.
Lernen kommt vom Tun
Die zentrale Idee des Waldon-Ansatzes ist es, ein förderliches Umfeld zu schaffen, das die Lernenden dazu motiviert, mehr zu tun, und zwar auf eine organisiertere und vielfältigere Art und Weise, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Aktivitäten liegt, die die folgenden Aspekte fördern:
- Interesse und Motivation (hierzu muss sich das Kind sicher fühlen/ containment)
- sich nach etwas strecken & greifen (= motiviert dazu sein), greifen & loslassen
- Körperliche Integration durch bilaterale Bewegungen und Rhythmus
- Frühe Handhabung von Werkzeugen
- Muster erkennen, weitermachen & mit Ausdauer dranbleiben (continuant capacity)
- Die „Learning-how-to-learn-Tools“ Seriation, Sortieren, 2D- und 3D-Praxis, Zuordnen und Kodieren, zusammen mit all ihren notwendigen Vorläuferfähigkeiten
Die Entwicklung dieser aktiven Bewegungen, Aktivitäten und Fähigkeiten ist die wesentliche Grundlage für die gesamte weitere geistig-emotionale und kognitive Entwicklung im ersten Lebensjahr, da sie dem Lernenden sein eigenes Verständnis davon vermitteln, „wie die Dinge funktionieren“, d. h. wie die Welt funktioniert (z. B. Dinge fallen herunter, ein in eine Schüssel gelegter Klotz bleibt in der Schüssel), wie ihr Körper funktioniert (z. B. „Um den Klotz zu erreichen und zu greifen, muss ich meinen Arm danach ausstrecken“), wie ihr Körper in Verbindung mit der Welt funktioniert (z. B. „Ich kann mich strecken, um den Klotz zu erreichen und zu greifen, und dann entscheiden, ob ich ihn in die Schüssel lege oder auf den Boden werfe“). Diese grundlegenden Erfahrungen sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Kind ein allgemeines Verständnis für die Welt in allen Aspekten des täglichen Lebens entwickelt.
Die Lernen-erlernen-Instrumente
Im ersten Jahr bereitet sich das Kind darauf vor, die Welt durch Bewegung und aktives Erkunden zu verstehen und so aus seinen Erfahrungen zu lernen.
Im zweiten Jahr sammelt das Kind jede Menge Erfahrungen und tut dies sehr effektiv, anfangs gerade deshalb, weil es das ziemlich planlos tut: Je mehr Erfahrungen, desto besser! Das Kind will „es“ wieder und wieder tun, mit vielen kleinen Variationen, die seinen Erfahrungsschatz erweitern.
Zunehmend erkennt das Kind jedoch, dass es sein allgemeines Verständnis effizienter und selektiver entwickeln muss, und es beginnt, alles, was ihm begegnet, in eine eigene Ordnung zu bringen, um es verständlich zu machen. Diese geistigen Prozesse werden im dritten, vierten und fünften Schuljahr auf der Grundlage des riesigen Erfahrungsschatzes aus dem zweiten Lebensjahr mit dem körperlichen Bewegungsapparat, der im ersten Jahr durch aktive körperliche Bewegung organisiert wurde, ausgearbeitet.
Die Lernen-erlernen-Kapazitäten können unter sechs Überschriften zusammengefasst werden, auch wenn sie meist kombiniert und miteinander verbunden auftreten:
1. Sortieren bedeutet, Ähnlichkeiten zu finden, und es geht um die aktive Zuordnung einer Sache, eines Musters oder eines Begriffs usw. zu bereits bestehenden „Sets“ entsprechend der wahrgenommenen Ähnlichkeiten. Auf diese Weise wird nicht nur die Aufmerksamkeit des Kindes auf ein Merkmal gelenkt, das es vorher vielleicht noch nicht bemerkt hat, sondern auch die Organisation der gesammelten Erfahrungen, die eine solche Tätigkeit erfordert, führt zum Prozess der Klassifizierung.
2. Zuordnen ist verwandt mit Sortieren, aber die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Unterschiede zwischen Mustern oder Merkmalen in der Wahrnehmung. Seine aktiven Versuche, unter den verfügbaren Objekten oder Beispielen dasjenige zu finden, das einem ausgewählten Modell am wenigsten gleicht, lenken die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Diskrepanz und zu gegebener Zeit, wenn der Prozess systematisiert ist, auf die bewusste Anwendung des Verfahrens der „Eins-zu-eins-Entsprechung„.
3. Seriationsverständnis (seriation), d. h. die Fähigkeit, aus Fragmenten von Aktivitäten oder Material erweiterte Verhaltensmuster zu extrapolieren, ist die Grundlage des schlussfolgernden Denkens, dem Ursprung des deduktiven Denkens.
4. Bauen (brickbuilding) erweitert das visuell-räumliche Verständnis in Richtung 3D-Wahrnehmung und beinhaltet, anders als „Sortieren“ und „Zuordnen“, die letztendlich von räumlichen Überlegungen abstrahiert werden können, ein Verständnis für die Nutzung des Raums, das am besten durch „Brickbuilding“ veranschaulicht wird und die Entdeckung von Richtung und Entfernung, von relativer Position und funktionaler Beziehung unterstützt. Es führt zu der Fähigkeit, Positionsveränderungen zu erkennen, zu verfolgen und zu interpretieren, z. B. Verschiebung, Neuausrichtung und Verformung, die auch die grundlegenden Komponenten des Verhaltens sind.
5. Zeichnen ist in gewisser Hinsicht das zweidimensionale Äquivalent zum „Brickbuilding“, beinhaltet aber in der Regel die Verwendung eines Werkzeugs, z. B. Stift, Pinsel oder Kreide, das unter normalen Bedingungen das Äquivalent zu anderen Werkzeugen ist, wie Harke, Löffel, Hebel, Schieber, Becher, Bürste und von zusammengesetzten Werkzeugen wie Pinzetten, Kneif-, Schneide- und anderen Zangen, Scheren, usw. ist, die das Kind während seiner Erkundungen in den ersten Lebensjahren zu benutzen gelernt hat.
6. Kodieren beschreibt die Fähigkeit, Zeichen oder Handlungen willkürlich miteinander zu verbinden, so dass ein Zeichen zur Beschreibung eines anderen verwendet werden kann, wie in der symbolischen Entwicklung, im Spiel und in der verbalen Sprache.
Mit Dank für manche Textpassagen an Terry Buchan/ Waldon Association