Autistischen Kindern Bruecken BauenWir wissen nicht, was Autismus „ist“

‚Seit mehr als 20 Jahren verfügen wir über genügend Fachwissen über „Autismus“, um zu wissen, dass das einheitliche Konzept von „Autismus“ (und sogar das einer (= einer einzelnen) Autismus-„Spektrum“-Störung) uns in der Forschung oder in der klinischen Praxis nicht weiterbringen wird.‘

Prof. Christopher Gillberg
Gothenburg University of Oxford, Sweden & Institute of Child Health, London, UK

Autistischen Kindern Bruecken BauenAutismus als solches gibt es nicht

‚Zu lange haben Medizin und Forschung Autismus wie ein einheitliches klar abgrenzbares Syndrom behandelt. … Ja, es gibt Kinder mit tiefgreifenden Entwicklungsschwierigkeiten, aber sie sind keine einheitliche Gruppe, – weder im Sinne von Symptomen, noch zugrundeliegender Ursachen.‘

Prof. Dorothee Bishop
University of Oxford, UK

Autismus existiert nicht als eine einzelne Störung

Dies zu sagen, ist zur Zeit eigentlich tabu, hat aber in Wirklichkeit die Evidenz von über 40 Jahren Forschung auf seiner Seite. Wenn Sie dieses Gefühl auch schon immer hatten, sind Sie bei mir und auf meiner Website richtig. Wenn Sie sich mehr dafür interessieren, Ihr Kind zu verstehen und sich über gewisse Verhaltensweisen Ihres Kindes wundern, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft mit einer zunehmenden Anzahl renommierter und besorgter Wissenschaftler, Therapeuten und Eltern. Wenn nicht, dann stehen Ihnen im Internet viele andere Webseiten und Informationen zur Verfügung.

Alle Forschungsergebnisse der vergangenen über 40 Jahre deuten darauf hin, daß es sich bei dem Begriff Autismus NICHT um eine einzelne oder in irgendeiner Weise einheitliche Störung handelt, oder um verschiedene ‚Autismen‘, sondern um eine Reihe von Symptomen und ganz unterschiedliche Ursachen, – so wie auch ein Fieber keine Krankheit an sich ist. Es wäre so praktisch gewesen, wenn es sich bei Autismus, wie anfangs erhofft, um eine eindeutige physiologische Störung handeln würde und man dafür ein Medikament, wie eine Art Schmerzmittel, verschreiben und verkaufen könnte, wie manche Forscher gemeint hatten! Aber dem ist nicht so.

Aus biologischer Sicht deutet alles darauf hin, dass es so etwas wie ein eigenständiges Störungsbild von „Autismus“ nicht gibt. Aus klinischer Sicht zeigt die Erfahrung, dass „Autismus“ eine Diagnose ist, die potentiell Schaden anrichten kann, auch weil sie uns nicht dabei hilft, dieses Kind, oder diesen Menschen, in seiner individuellen Menschlichkeit zu verstehen. Außerdem beleuchtet die Diagnose Autismus in keiner Weise, was zu den vorliegenden Verhaltensweisen geführt hat oder was dieses Kind, oder dieser Mensch, braucht, um etwaige Schwierigkeiten überwinden und sich bestmöglich entwickeln zu können.

Autistisch-ähnliche Verhaltensweisen oder Autismus?

Daher drängt sich zunehmend die Frage auf, inwieweit Autismus sinnvoll als Diagnose ist? Und deswegen ist mir der Begriff ‚autistisch-ähnliche Verhaltensweisen‘ so wichtig: er hält die Tür noch offen für alle möglichen neuen, und vielleicht unerwarteten, Entwicklungschritte. Denn Kinder, und jeder Mensch, ist unglaublich entwicklungsfähig! 

Wenn Eltern sich um ihr Kind und seine Entwicklung Sorgen machen, weil sie manche seiner nonverbalen Kommunikationen und Verhaltensweisen nicht verstehen, dann brauchen sie einfühlsame Unterstützung von jemand, der ihnen zuhört und sich mit ihnen auf den Weg macht, gemeinsam wie Detektive die zugrundeliegenden Ursachen zu verstehen und zu beheben. Da es sich um menschliche Entwicklung handelt, werden die Hauptbestandteile hiervon immer echtes emotionales Interesse, einfühlsame Beziehungen und Offenheit menschlichen Gefühlen gegenüber sein.

Autismus und autistisch sind sinnvoll für eine kleine Gruppe von Kindern und Menschen als Worte und Beschreibung eines bestimmten menschlichen Rückzugsverhaltens zu sich selbst und in einen, oft präsymbolischen, sensorisch-dominierten Geisteszustand als Daseinsweise, der das Bewußtsein des ‚Anderen‘ vermeidet und damit die eigene Persönlichkeitsentwicklung einschränkt. Auch diese Art von Daseinsweise und Geisteszustand kann sich ändern, wenn wir dem Kind dabei helfen, Interesse für Beziehungen mit ‚dem Anderen‘ und der Welt um es herum zu entwicklen.

Entwicklung ist eine Kunst

Menschliche Entwicklung ist nicht automatisch, sondern beziehungsabhängig von Anfang an. Kinder, und wir alle als Menschen, brauchen die Hilfe einer anderen uns zugewandten Bezugsperson, wenn wir in Sackgassen oder Gewohnheiten geraten sind, die für eine gesunde Entwicklung nicht förderlich sind, um uns anhand der sogenannten Gehirnbrücke herauszuhelfen, wo wir steckengeblieben sind und uns wieder auf den Pfad in die richtige Richtung zu helfen. Das ist manchmal gar nicht so einfach! Aber der Himmel ist unsere Grenze. Und der hat keine!

Autistischen Kindern Bruecken BauenAutismus neu überdenken

‚Die Medien, wissenschaftliche Forschung und das DSM sprechen alle  von ‚Autismus‘ als ob es sich um eine einheitliche Störung, oder eine einheitliche Störung innerhalb eines Spektrums, handeln würde. Aber Autismus unterscheidet sich auf unterschiedliche Weise von jeder anderen einheitlichen Störung. Es läßt sich kein einheitlicher Gehirndefekt finden, der es verursacht, kein einheitliches wirksames Medikament und, trotz immenser Forschungsanstrengungen hat sich bisher keine einheitliche Ursache oder Therapiemethode finden lassen. … Autismus existiert nicht als EINE Störung. Das Zusammenkommen von Symptomen existiert, aber diese Symptome sind, wie bei Fieber, keine Krankheit an sich, sondern ein Ergebnis verschiedener anderen Ursachen. Nur wenn wir aufhören von Autismus als einer einheitlichen Störung zu sprechen wird die Forschung jemals Fortschritte machen können, um zu verstehen, warum diese Symptome vorkommen und was ihre verschiedenen und unterschiedlichen Urschen sein mögen.‘

Prof. Lynn Waterhouse
Child Behaviour Study, College of New Jersey, Autorin von ‚Rethinking Autism‘

Autismus als Diagnose ist nicht evidenzbasiert

In den letzten ca 40 Jahren ist eine riesige Autismusindustrie entstanden mit Milliardengeldern für Forschungsprojekte, unzählige neue Test- und Therapiemethoden, Institute, Experten, Stellenangebote, Bücher, Kurse, – allerdings ohne daß in irgendeiner Weise klar definiert wäre, worum es sich genau handelt. Auf die offensichtliche Frage, welche Evidenzbasis den Schluss erlaubt, dass Autismus eine natürliche Kategorie darstellen würde, die sich von anderen natürlichen Kategorien, sei es Störung oder Unterschied, klar unterscheiden lässt, findet sich nirgends eine Antwort. Denn die Annahme, auf der sie basiert, hat kein Fundament und ist nicht evidenzbasiert: das ist das einzige, das was Autismus betrifft, wirklich evidenzbasiert ist. Wissenschaft als Glaubenssystem, nicht als evidenzbasiertes Einschätzungssystem.

Tatsächlich spiegeln professionelle Konstrukte (wie die von Psychiatern, Psychologen und anderen verwendeten Diagnosen) aber nicht Fortschritte in „wissenschaftlichen“ Erkenntnissen wider, sondern sehr einflussreiche kulturelle und politische Überzeugungen und pathologisierende Praktiken, die in ihrer unpersönlichen Formalität für die betroffenen Menschen oft negative, unbeabsichtigte Folgen haben.

Möglicherweise ist der Begriff „Autismus“ selbst das Hauptproblem für das wiederholte Scheitern, herauszufinden, was Autismus eigentlich wirklich „ist“ (auf biologischer und/oder psychologischer Ebene) und wie er am besten behandelt werden kann.

Ist Autismus, was Autismustests messen?

Viele Eltern machen sich heutzutage von früh an (oft schon vor der Geburt ihres Kindes) große Sorgen, daß ihr Kind ‚Autismus haben‘ oder ‚kriegen‘ könnte, und halten angstvoll Auschau nach jeglichen, ihrer Auffassung nach autistischen Symptomen. Und damit rückt das eigentliche Kind, und was es von seinen Eltern und Bezugspersonen für seine emotional-mentale Entwicklung braucht, häufig bis zur emotionalen Unsichtbarkeit in den Hintergrund. Hierdurch bestätigen sich oft die Befürchtungen der Eltern und sie machen sich auf, um Hilfe zu suchen, und um ihre Befürchtungen zu entkräften. Oder eine Autismusdiagnose zu bekommen.

Wenn sie sich aber jetzt auf die sogenannte ‚Autismusabklärung‘ einlassen, werden sie sich unweigerlich in einem Tunnel langwieriger Wartezeiten, Tests und Interviews mit Experten wiederfinden, aus dem kein Entkommen ist und ihre wahren Sorgen und Gefühle meist ungehört, unverstanden und unbeantwortet bleiben. Häufig lautet das endgültige Urteil ‚Autismus‘ oder ASD, oft mit zusätzlichen Adjektiven, die das Gewicht der Diagnose erleichtern sollen. Bei verschiedenen Gutachtern wird die Diagnose unterschiedlich ausfallen. Manche Eltern, die eine Autismusdiagnose anstreben, suchen immer wieder neue Experten auf, bis sie jemanden finden, der sagt, wie mir eine Mutter erzählte: ‚Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich Ihnen eine Autismusdiagnose ausstelle, auch wenn ich nicht der Meinung bin, daß Ihr Kind Autismus hat oder autistisch ist.‘

Die Einführung des Begriffs „Autismus“ als bevorzugtes Etikett ermöglicht es, das urprüngliche Problem von einem menschlichen Problem, das zum großen Teil durch das sozio-politische System, in dem die Menschen leben, verursacht wird, in ein technisches Problem zu verwandeln, das von Experten in etwas verwandelt wird, das man haben, kriegen, kaufen und verkaufen kann.

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