Der Waldon-Praktiker

Als Waldon-Praktiker und Lernbegleiter ist man sich bewusst, dass

  • das Kind in erster Linie durch seine eigenen Bewegungen lernt. Warum?
  • Bewegungen aktivieren die Sinnesrezeptoren in den Muskeln, Gelenken und Sehnen und senden Nervenimpulse an das zentrale Nervensystem (ZNS), wo die Aktivitätsmuster der Rezeptoren so organisiert werden, dass sie nach und nach einen Sinn für die Welt ergeben.
  • die Waldonstunden und das dazugehörige Material lediglich die Mittel darstellt, um das Kind dazu zu animieren, Bewegungsmuster zu produzieren, die der Waldon-Praktiker für das Lernen des Kindes und seine Weiterentwicklung für „wichtig“ hält.

Der Lernbegleiter sollte große (aber nicht unbedingt schwere) Gegenstände bevorzugen, die leicht zu greifen sind, und so wenige Gegenstände wie möglich auf den Tisch stellen, d.h. nur das, was notwendig ist, um einen angemessenen Bewegungsfluss aufrechtzuerhalten.

Das Motto für den Unterricht lautet: besser weniger Material, das auf vielfältige Weise verwendet werden kann. 

Eine Hauptaufgabe des Erwachsenen oder Lernbegleiters ist es, dafür zu sorgen, dass das Kind sich sicher fühlen kann und keine Unsicherheitsgefühle aufkommen. Er tut dies indem er klare und einfache Materialien nutzt und das Kind, anfangs durch Handführung die Bewegungsabläufe und visuell-räumlichen Veränderungen der Gegenstände auf dem Tisch spüren und erfahren läßt. Anfangs empfiehlt es sich, zum Beispiel, naturbelassene Holzklötze (oder Pinienzapfen oder Kartoffeln) zu benutzen, und farbige Gegenstände zu vermeiden, um dem lernenden Kind zu ersparen, sich zwischen Form oder Farbe entscheiden zu müssen, und sich dadurch verunsichert zu fühlen.

Hierbei zeigt der Erwachsene dem Lernenden durch aktive Handführung und nonverbal ‚wie es geht‘, um dem Lernenden verschiedene neue Bewegungsabläufe direkt erfahrbar zu machen. Sobald der Lernbegleiter spürt, dass der Lernende Rhythmus und Bewegungsabläufe verstanden hat, ist er immer dazu bereit, seine taktile Unterstützung zurückzuziehen bzw. beim ersten Anflug von Unsicherheit sofort wieder zu übernehmen. Um das Kind dabei zu unterstützen, seine Aufmerksamkeit auf das sensorische Hantieren und visuell-räumliche Geschehen zu richten, findet dies nonverbal und ohne verbale Erklärungen statt.

Die nicht-interaktive Waldonstunde

Als Lernbegleiter von einer Waldonstunde ist unsere Aufgabe, das Kind auf einfühlsame Weise in seinen Fähigkeiten zu unterstützen

  • den gesamten verfügbaren körpernahen Raum zu nutzen
  • die körperliche Integration zu fördern
  • Dinge zu greifen

Das Kind muss also aus einer stabilen Sitzposition heraus große, eindeutige und klar definierte Bewegungen mit seinen Händen und Armen machen, um etwas zu erreichen, sich zu strecken, zu greifen und loszulassen.  Man sollte daran denken, die vertikale Ebene zu nutzen (mindestens bis zur Kopfhöhe), damit die Schultermuskeln des Kindes sowohl nach oben als auch nach außen gestreckt werden.

Die Aktivitäten sollten oft beidseitig sein, wobei die Hände oft die Mittellinie in den Raum der anderen Körperseite kreuzen, um die körperliche Integration zu fördern.

Um sicherzustellen, dass der „Kraftgriff“ der ganzen Hand des Kindes vollständig trainiert wird, sollte man möglichst Aktivitäten wählen, die einen starken Griff erfordern.  Aufnehmen, Wischen und Schaben, Harken, Schöpfen, Schaufeln sowie Klopfen und Schlagen sind dafür hervorragend geeignet.  Verwende im Allgemeinen große Gegenstände, die in Form, Beschaffenheit, Dichte und Größe variieren, damit das Kind seinen Griff während der Unterrichtsaktivitäten automatisch verändern muss.  Auf diese Weise entwickelt das Kind auf natürliche Weise eine Reihe von adaptiven Greiftechniken, darunter den Dreifinger- und Zangengriff.

Diese Überlegungen gelten unabhängig davon, wie „fortgeschritten“ die Lernaktivitäten sind.

Non-verbal und nicht-interaktiv

Um dem Kind größtmögliche Sicherheit zu geben, müssen wir ihm dabei zu helfen, zu verstehen, daß es bei diesem Zusammensein um sein eigenes Tund und das Hantieren mit Gegenständen geht, – und nicht um interaktives Spielen oder Verhandeln, wer was wie oder ob überhaupt tun will, könnte oder muß.

Um dies so klar wie möglich zu kommunizieren, findet die Waldonstunde non-verbal und ohne Blickkontakt statt, denn dieser vermittelt, zumindest anfangs, daß Situation und Bewegungsabläufe verhandelbar wären, was letztendlich zu Verunsicherungen und unguten Gefühlszuständen führt. Um dem Kind dies so direkt wie möglich erfahrbar zu machen, platziert der Lernbegleiter sich hinter das Kind, um das Hantieren gemeinsam mit dem Kind und mit dessen Händen anleiten zu können.  

Vor allem etwas ältere Kinder, die über mehrere Jahre schon einiges an Erfahrung mit ‚lieber nicht(s)‘ tun gesammelt haben, haben sich häufig Vermeidungsverhalten zur Gewohnheit gemacht, wie z.B. Sachen schmeißen, schreien, Fragen stellen, Komplimente machen (‚Du hast aber eine schöne Uhr!‘) oder uns in ein Gespräch verwickeln zu wollen, um an ihrem gewohnten Nichts-Tun festhalten zu können.

Primäre und sekundäre Hindernisse

Geoffrey Waldon unterscheidet zwischen „primären Beeinträchtigungen“, d. h. dem ursprünglichen körperlichen/geistigen Problem, das die Entwicklung beeinträchtigt, und „sekundären Beeinträchtigungen“, d. h. erlernten Verhaltensweisen, die auf das primäre Problem zurückzuführen sind.

  • Vermeidungsverhalten wie Wutanfälle, Versteifen des Körpers, Wiederholungsverhalten, z. B. Werfen, Schreien, Weglaufen, …
  • Selbstentzückungsverhaltensweisen, z. B. Schaukeln, Dinge Drehen und andere „Komfortzonen-Verhaltensweisen“, – wozu auch Werfen, Schreien, Kopfschlagen, … gehören können

Diese sind meist ein Zeichen von Verunsicherung und (oft jahrelanger) Überforderung und verringern sich, wenn der Lernende immer wieder die Erfahrung macht, dass er sich sicher und durch die aktive ruhige und nonverbale Führung des Lernbegleiters gut gehalten fühlt und sein Selbstvertrauen entwickelt, weil er zunehmend versteht, ‚wie es geht‘ und ‚was ich kann‘. 

 Mit Dank für einige Textpassagen an Terry Buchan/ Waldon Association

Literatur:

  1. Hawkins, M. (2019): Learning to learn. How to teach children with learning difficulties or autism to learn. Peculiarity Press, Henley-on-Thames
  2. Janert, Zirnsak et al. (2021): Autismus beziehungsorientiert behandeln, Reinhard Verlag
  3. Blatt, J. (2021): Every Child Can Learn. Using Functional Learning to Support Developmentally Delayed Children and their Families. 2nd revised Edition. Bell & Bain, Glasgow
  4. Solomon, Walter. (2012): Autism and Understanding. The Waldon Approach to Child Development. Sage, London
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